Reisetagebuch eines Leipziger Studenten durch den Harz im Jahre 1851

„….Endlich erschien Stolberg mit seinem Schlossthurme. Vor der Stadt stieg ich aus. Die Kuhherde wurde gerade in die Stadt getrieben. Es hatte aufgehört zu regnen, die melodischen und nach der Harmonie gestimmten Glocken der Thiere klangen wunderbar in mein Herz, Ich hatte noch nie wirkliche Glocken gehört, sondern nur Klingeln an den Hälsen der heimathlichen Schafe, daher wurde ich sehr überrascht von dem schönen Geläute. Hinter der Heerde zu hielt ich meinen Einzug in die Stadt. An den betreffenden Häusern waren die Thüren geöffnet zu denen die Kühe ins Haus gingen. Es war ein so gemüthliches, idyllisches Leben was mich in dem Städtchen anwehte. Meine Schritte lenkte ich sogleich nach dem „Preußischen Hofe“, ließ mir ein Zimer geben und machte es mir bequem. Zuerst nahm ich eine kräftige Suppe, welche wirklich ausgezeichnet war zu mir. Dazu zündete ich mir eine Cigarre an und musterte meine Umgebung genauer. Die Stube war eigenthümlich nicht mit Dielen, sondern mit einer Art weißen Estrich bedeckt, was ihr ein besonderes Ansehen gab. Das Bett sah auch etwasalterthümlich aus. Ich öffnete jetzt ein Fenster; gerne wäre ich in Stolberg noch etwas promeniert, allein meine schmutzigen und nassen Stiefel erlaubten dieß nicht. So konnte ich mir nur alles von der Ferne ansehen Die Glocke schlug gerade in ländlich hellen Tönen die 8te Stunde. Von den Dächern träufelte manchmal ein Tropfen unbehindert von Dachrinnen auf die Steine leise herab, sonst war es ganz stille. Die Häuser sahen alle somittelalterlich aus, so südlich mit ihren hervorspringenden Dächern und den Wahrzeichen und Familienwappenüber den Hausthüren. Über den Häusern sahen die Berge in die Stadt hinein, deren Wächter der weiße Schlossthurme sich über die ganze Stadt hinaus erhob. Es gefiel mir recht sehr in Stolberg…“

„…Stolberg, Stadt von etwa 2000 Einwohnern in dem von hohen Bergen eingeschlossenen Thale der Thyra, Sitz des alten Geschlechtes der Grafen von Stolberg-Stolberg, deren Residenzschloß sich auf einem Berge über der Stadt erhebt… gerne wäre ich noch länger bei dir geblieben, allein es mußte geschieden sein; so leb denn wohl du stilles Haus dideldum – Ewig unvergeßlich bleibt nur die große Pfütze in dem Hofe des Preußischen Hofes, in welche ich, um meinen natürlichen Trieben zu gehorchen, mit den Schuhen hineinwatete. Lebe wohl!…“